Samstag, 22. März 2014

Brief aus Wien (11) Wien blüht

Unermeßlich gunstvolle Obertanen!
Das ist ein früher Frühling in diesem 2014er Jahr. Nach einem fast schneelosen, milden Winter, ist die Natur ihrem gewohnten Werdegang gut vier Wochen voraus – und Wien blüht!
Und da gibt es auch allerhand zu blühen. Die prachtvollen Parks und Gartenanlagen Wiens machen den Fussweg von Palais Riedl 1 zu Palais Riedl 2 zu einem botanischen Erlebnis.
Und Wien blüht auch im beschaulichen Garten des vom Großvater Riedl erworbenen Anwesens in der Windmühlgasse.
Die ersten Knospen zweier Kirschbäumchen sind bereits offen, der Rest hängt abschussbereit in der Nachmittagssonne. Eine paar letzte Schneeglöckchen und Krokusse sowie die ersten Veilchen blühen, und der seine Frostschäden überwunden habende Oleander macht gleich mit. Nur der Goldregen lässt sich noch Zeit. Der ist nämlich beleidigt, dass keine Menschenhand sich rührt, ihn gegen die Zudringlichkeiten eines wilden Weins in Schutz zu nehmen.
Auch ich kann hier nicht helfen, das wird der Oleander aushalten oder selber klären müssen. Ich nämlich habe zu dieser Stunde keinerlei Handhabe, der Zudringlichkeit wilder oder auch zahmer Weine zu wehren, sondern eine halbe Flasche des von Meister Riedl ausgeschenkten Messweins bereits hinter mir.
Ja, sicher! Ich habe gestern einen gehetzten Medientag hinter mich gebracht. Das war Arbeit, eindeutig! Aaaarrrrrbeit!! Capice?! Heute denke ich nicht daran, mich weiterhetzen zu lassen und ein Wein in der prallen Sonne eines Frühlingsnachmittags ist stets Garantie, jeden Anflug von Hektik im Keim zu ersticken.
Die alkoholische Vorsichtsmaßnahme erweist sich bald als angebracht, jedoch unnötig. Denn Meister Riedl kennt das Wort „Hektik“ bis dato noch gar nicht, und Sir Roland Kollowatsch ist soeben zur Zeitungslektüre in den Garten getreten und der Herr Lektor lektüriert seine Zeitungen in einer Weise, die den Gang der Welt an sich verlangsamt. Endlich kommt auch König Artur vorbei und zerbröselt die letzten Zweifel an der gesicherten Trägheit des verbleibenden Tages.
Später, als ich mich aus dem gesicherten Terrain der Windmühlgasse wage, erwischt mich die Hektik dann aber noch: ich flaniere mit Arturius durch den Burggarten. Das Schmetterlingshaus ist heute geschlossen - wie ich vermute der übertrieben hektischen Flügelschläge wegen, die an diesem müssiggängerischen Tag reichlich unpassend wären. Was soll denn das zappelige Geflatter?
Aber jeh, was ist das? Als King Artur und ich uns unter das Reiterstandbild vom Erzherzog Karl lagern, werden wir in unserem Genuss der Abendsonne gestört durch eine unerhörte Attacke ständiger Fremdhektik: Skateboarder!
Herrschaften, das ist doch nicht der Sinn eines Reiterstandbildes, dass darauf herumgeskateboardet wird! Und wieso eigentlich werden diese Skateboarder pausenlos von den Touristen gefilmt und fotografiert, während mein teurer Artur und ich glatt ignoriert werden, unterhalb des berittenen Erzherzogs Karl? Ist das etwa nicht dokumentationswürdig, wenn Menschen von Rang nach allen Regeln der Kunst öffentlich untätig sind?
Endlich kommt Polizei herangefahren: „Jetzt hat der Spuk gleich ein Ende!“ sage ich triumphierend. Aber weder werden die Skateboarder vom Fleck weg verhaftet, noch die grausige Rockröhre, die auf dem Erzherzoglichen Steinsockel für ein grausiges Video eines an sich hübschen Songs gefilmt wird. „Des is scheint's ois erlaubt...“ wundert sich Artur. Zeiten sind das...
Bald ist die Sonne weg, der Skateboarder bleibt. Was bleibt uns übrig: dann gehen eben wir.

Wir kommen am Denkmal für Maria Theresia vorbei. Das ist 20 Meter hoch und das zahlreich abgebildete Personal schaut durch die Bank miserabel gelaunt aus der galanten Granitwäsche. Na, serwas! Dann vielleicht doch lieber die Skateboarder vom Erzherzog. Es ist auch egal. Überhaupt ist mir alles wurscht heute: Wien blüht!

Prinz Chaos II.
21. März 2014

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